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2017

Wieso man ohne
Schreckreize trainieren sollte

Von aversiven Methoden mithilfe von Wasserflaschen, Spritzpistolen, Rappeldosen, Discs oder Wurfketten haben die meisten von uns bestimmt schon gehört. Vor kurzem habe ich den Einsatz dieser veralteten Trainingsmethode leider auch erleben müssen:

Ich laufe mit meiner Hündin spazieren und wir treffen auf einen Hund aus der Nachbarschaft. Der Hund ist friedlich, möchte meine Hündin begrüßen. Ich frage also die Halterin, ob meine Hündin ihrem Hund Hallo sagen dürfe – sie stimmt zu. Ihr Hund freut sich und fiept kurz vor Freude. Während meine Hündin sich freudig nähert, kommt von der Halterin plötzlich ein zischendes “tschhhhh“ und sie bespritzt ihren Hund mit Wasser. Ich weiß nicht, wer sich mehr erschrocken hat, ihr Hund, meine Hündin oder ich selbst.

Ich frage, was eben passiert ist. Ihr Hund dürfe keinen Laut von sich geben (wieso?). Ohne mich als Hundetrainerin erkennen zu geben, frage ich nach dieser “Trainingsmethode“ und dem Gebrauch der Wasserflasche. Ganz einfach, erklärt sie, sobald ihr Hund unerwünschtes Verhalten zeigt, bespritzt sie ihn mit Wasser.

Ich gebe Hundehalter:innen niemals ungefragt Ratschläge, aber in dem Fall hat mich die Halterin direkt gefragt, ob wir nicht zusammen laufen und dabei ihren Hund trainieren können. Klar, meine ich, aber die Wasserflasche darf nicht zum Einsatz kommen, solange meine Hündin und ich unmittelbar neben ihrem Hund laufen.

„Wieso? Das tut dem Hund doch nicht weh?“

Nein, es tut nicht weh. Aber es ist ein Schreckreiz. Einen Hund ohne Vorwarnung mit Wasser anzuspritzen ist eine Form von positiver Strafe. Dies bedeutet, dass man einem Hund absichtlich etwas Unangenehmes hinzufügt, er sich entsprechend erschrickt und regelrecht eingeschüchtert wird.

Der besagte Hund duckt sich vor Angst, beginnt zu zittern und scheint gar nicht zu wissen, weshalb plötzlich Wasser auf ihn gespritzt wird. Ich frage die Halterin, ob sie bereit wäre, den Hund nicht in dieser Form zu bestrafen, sondern mit positiver Verstärkung zu arbeiten.

„Wieso anders trainieren? Das mit der Wasserflasche funktioniert doch. Mittlerweile benutzte ich sie auch gar nicht mehr dass ich sie dabeihabe, reicht schon.“

Aha. Die Wasserflasche auf jedem Spaziergang dabei zu haben, gibt der Halterin Sicherheit, gut. Aber dem Hund? Der hat den ganzen Spaziergang über Angst, dass die Wasserflasche zum Einsatz kommt und versucht alles zu vermeiden, was Frauchen nur als “falsch“ bezeichnen könnte. Da läuft er also eingeschüchtert neben ihr her, während sie ihn eingehend beobachtet und die Wasserflasche fest in ihrer Hand hält – jederzeit bereit, Wasser auf ihren Hund zu spritzen.

Da ein Hund bei jedem Einsatz eines solchen Schreckreizes eingeschüchtert wird (und hierzu zählen eben auch das Werfen von Rappeldosen, Discs, Ketten oder der Leine), scheint diese Methode für viele erfolgreich zu sein. Klar, der Hund bekommt ja auch einen Schrecken und stellt das derzeitige Verhalten sofort ein. Aber die langfristigen Konsequenzen von Schreckreizen sind den Anwender:innen nicht bewusst:

  • Man zerstört nach und nach das Vertrauen zwischen sich und dem Hund
  • Der Hund wird immer zurückhaltender und unterwürfiger
  • Der Hund wird nicht trainiert, erwünschtes Verhalten zu zeigen

Wenn überhaupt erfährt der Hund eine Fehlverknüpfung. Zum Beispiel könnte der Hund den Einsatz der Wasserflasche mit mir oder meiner Hündin verknüpfen, weil wir in dem Moment auf ihn zukommen, während seine Halterin Wasser auf ihn spritzt.

… Also dann Training ganz ohne Strafe?

Nein. Training ohne Strafe funktioniert nicht bzw. ist gar nicht möglich. Aber es ist ein Unterschied, ob man positive oder negative Strafe einsetzt. Bei positiver Strafe wird der Hund eingeschüchtert, erschreckt, schlimmstenfalls sogar körperlich Schmerz zugefügt. Bei negativer Strafe geschieht das nicht; dem Hund wird lediglich etwas Angenehmes entzogen. Zum Beispiel bekommt er nicht die Belohnung (Spielzeug, Futter usw.), die er gerade haben möchte oder wird von Halter:in ignoriert. In dem Fall lernt der Hund, dass sich das derzeitige Verhalten nicht lohnt und er wird ein anderes Verhalten zeigen, das wir wiederum verstärken.

Natürlich vertraut man auf ausgebildete Hundetrainer:innen – und wenn unerfahrenen Hundehalter:innen zu bestimmten Methoden geraten wird, werden diese auch meist so angewendet. Aber spätestens, wenn man seinen Hund ängstlich, unterwürfig oder gar panisch beim Einsatz der jeweiligen Methode sieht, setzt doch Herz und Verstand ein und man fragt sich, ob man das wirklich so machen möchte und ob es nicht auch anders geht.

Im modernen Hundetraining wird auf den Einsatz von Druck, Einschüchterung und Gewalt verzichtet. Wer heutzutage noch immer Angstreize, Schreckreize oder Schmerzreize anwendet bzw. es als Trainer:in empfiehlt, verstößt ganz klar gegen das Tierschutzgesetz, das besagt, dass man einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Da es alternative Trainingsmethoden gibt (positive Verstärkung), gibt es schlichtweg keinen Grund, einem Hund durch aversive Methoden physischen und psychischen Schaden zuzufügen!

„Um Schreckreize als effektive Trainingsmaßnahme einzusetzen, benötigt man drei Fähigkeiten: ein tiefes Verständnis des Hundeverhaltens, ein tiefes Verständnis der Lerntheorie und tadelloses Timing. Und wenn man alle drei hat, dann braucht man keine Schreckreize.“ (Dr. Ian Dunbar)

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